Einfach mal auf den Holzkopf hauen – da sieht man, wieviel Kraft schon hier ins Spiel kommt – Dazu noch die Anzeige, was mit dem Holzkopf denn nun los wäre: Schädelbasisbruch oder Gehirnverletzung. Vorausgesetzt, dieser Kopf wäre aus Knochen und Gewebe. Vielleicht sollte man doch lieber einen Helm aufsetzen, denkt manch ein Schüler da – und der Verkehrssicherheitstag im Schulzentrum Markweg hat eines seiner ziele schon erreicht.
Veranschaulichung des Bremswegs: Beim Verkehrssicherheitstag waren 13 Klassen der Stufe acht dabei GB-Foto: Holom
Angela Schulz, Leiterin des Andrea-Gymnasiums, kann sich an eine andere Demonstration zur Verkehrssicherheit erinnern, die sie während ihrer Tätigkeit an einer Leonberger Schule erlebte: Ein Busfahrer fuhr über eine Melone. „Wir saßen im Bus und haben nichts davon gespürt", erzählt sie. Solche Demonstrationen sind es, die sich ins Gedächtnis eingraben. Zwar verkündet der Mann mit dem Hammer, als die Schüler das Zimmer in der Markwegmensa betreten: „Wir sind hier nicht beim Volksfest, das ist kein 'Hau den Lukas'" - aber das ist es natürlich doch. Denn es macht ja Spaß. Und wenn es Spaß macht, lernt man besser.
Eine neue Gruppe wartet bereits vor dem Zimmer. Zu ihr gehören zwei Jungs, die Lukas heißen - und die sich nicht fürchten. Im Gegenteil, sie können es nicht erwarten. Drinnen holen die Schüler aus, lassen den Hammer herabsausen, und schielen auf das Display. Wehe dem, der weniger schafft als ein Mädchen! Peinliche Situation vor der ganzen Klasse. Gleich noch einmal ausholen, und dabei den Stiel des Hammers weiter hinten anfassen: „Der Hebeleffekt!" Schon wieder etwas gelernt. Allerdings in Physik.
Die Gaudi ist gerechtfertigt, solange der Lerneffekt stimmt. Dass es im Straßenverkehr tatsächlich um das Leben gehen kann, das ist die Botschaft. Immerhin zwei Drittel aller Schüler sind mit dem Fahrrad unterwegs, erklärt Polizeihauptmeisterin Sandra Köhler, die draußen in der Kalkofenstraße demonstriert, was ein Anhalteweg ist. Dass selbst ein Fußgänger eine kurze Wegstrecke benötigt, um zum Stillstand zu kommen, das hätte kaum einer gedacht. In der Kalkofensträße stehen Motorrad und Polizeiwagen bereit, um vorzuführen, wie es aussieht, wenn es sich nicht um einen Fußgänger handelt.
Zahlen belegen, wie wichtig das Thema ist: 9 572 Radfahrunfälle trugen sich landesweit im vergangenen Jahr zu - fast 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 1960 Menschen wurden dabei schwer verletzt, 44 Radfahrer starben. Vier von ihnen hatten die Volljährigkeit noch nicht erreicht, 33 trugen keinen Helm. Vielleicht wären sie noch am Leben, wären sie zuvor einmal dem Holzkopf begegnet.
Seit 2005 veranstalten die Markwegschulen ihren Verkehrssicherheitstag. Zum achten Mal findet er nun also statt auf dem Gelände der drei Schulen: Aktionen rund um den Straßenverkehr, die Sicherheit, das Fahrrad. 13 Klassen der Stufe acht durchlaufen sechs Stationen. Mit dabei sind, als Kooperationspartner der Schulen, der Verband baden-württembergischer Omnibusunternehmer, die Polizeidirektion Böblingen, die Fahrschulen Frank und Halanke, der Radhof Schill, die Busunternehmen Däuble und Rübenacker, die Firma KED Helmsysteme und die Stadtverwaltung Herrenberg, die das Gelände vor den Schulen abgesperrt hat.
Nur wenig Räder ohne Beanstandung
Die Neugestaltung dieses Geländes machte es notwendig, einige der Stationen auszulagern. Was ein „toter Winkel" bei einem Lastwagen ist, das können die Schüler nun jenseits des Bahndammes in der Friedrich-Fröbel-Straße lernen. Das Bustraining, bei denn es um geordnetes Einsteigen geht, findet auf dem Zufahrtsweg zum Schulzentrum statt. Erste-Hilfe-Station und Helmbelehrung sind in der Mensa untergebracht. Und der Schulhof der Jerg-Retgeb-Schule beherhergt neben dem Fahrradcheck durch Andreas Schill („drei bis vier von etwa 100 Rädern waren ganz ohne Beanstandungen") die größte Sensation des Tages.
Mit „Rauschbrille" durch Parcours
Das macht noch mehr Spaß und ist nicht weniger lehrreich, als ein Schlag auf den Holzkopf: Einmal mit einer „Rauschbrille" durch den Slalomparcours gehen. Wohlgemerkt: nicht fahren. Die breiten Plastikbrillen sorgen für eine so effektive Verzerrung der Sicht, dass der Brillenträger seine Füße überall sieht, nur nicht auf der Erde. Wabernde und unablässig kippende Unterwasserwelten hüllen die Testperson ein, und der Gleichgewichtssinn verabschiedet sich bei jedem Schritt. Schüler torkeln durch den Sonnenschein. Keiner, der kein Slalomhütchen umstieße. „Man sieht alles doppelt!", stöhnt Silas Nüßle, 14, aus Oberjesingen. Er ist nicht berauscht. Er wird es sich merken. Lernziel erreicht.
(Artikel erschienen am 24.05.2012 im Gäubote Herrenberg. Wir danken der Redaktion des Gäubote für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Siehe auch www.gaeubote.de).