Sie sind Schauspieler, Animateure, Moderatoren und mitunter gehen sie sogar unter die Rappen Die neun Heim(at)werker der Woche. Allesamt sind sie Eltern, deren Kinder die Herrenberger Jerg-Ratgeb-Realschule besuchen, allesamt zählen sie zum „FÜR"-Team. Unter der Überschrift „Freunde üben Rücksicht" laden sie jedes ,ahr die Fünftklässler der Schule zu einer ganz besonderen Art der Gewaltprävention ein.
Sketch zu verstopfter Toilette: Anya Raschbacher (vorne von links), Liane Blasius und Isaac Ekhogue spielen für die Fünftklässler GB-Foto: Holom
Gewalt, Mobbing, Sachbeschädigung -lehnen sie entschieden ab. Wie so viele andere auch. Doch die neun Heim(at)werker tun aktiv etwas dafür, dass „Gewalt" mit all ihren Facetten zum Thema wird - und dadurch weniger Raum bekommt im Alltag ihrer Kinder und deren Schulkameraden. Anya Raschbacher, Isaac Ekhogue, Alexandra Supper, Sabine Ostertag, Stephan Wick, Liane Blasius, Suzanne Elsässer, Abdullah Sevil und Sabine Edelmann bilden das „FÜR"-Team an der Herrenberger Jerg-Ratgeb-Realschule (JRS). Unter der Überschrift „Freunde üben Rücksicht" laden sie jedes Schuljahr die neuen Fünftklässler der Realschule im Schulzentrum Markweg zum Vormittag gegen Gewalt ein. Start des Projektes, das über den Lokalen Aktionsplan gefördert wird, war vor inzwischen mehr als dreieinhalb Jahren. „Bei der Elternbeiratssitzung wurde das Thema Gewaltprävention angesprochen", erinnert sich Anya Raschbacher. Schulleitung und Lehrer äußerten den Wunsch nach einem solchen Schwerpunkt, als Verantwortliche wurden die Eltern der Fünftklässler „ausgeguckt". Ein Großteil der Heim(at)werkergruppe saß von Anfang an mit im Boot, gemeinsam begann man, nach vergleichbaren Projekten oder Veranstaltungen Ausschau zu halten. Und die JRS-Eltern mussten dafür nicht einmal weit gehen. „Am Schickhardt-Gymnasium wurde das FÜR-Projekt schon länger angeboten", erzählen die engagierten Eltern. Sie durften spickeln und stellten fest: „Das wäre auch was für uns."
Das Grundgerüst stand somit, in der Vorbereitung wurden gemeinsam Aufgaben verteilt und die Inhalte ein wenig verändert. Schließlich soll sich jeder in seinem Rollenspiel oder bei der von ihm übernommenen Gruppenarbeit wohlfühlen. Nicht jeder mag sich mit einem langen Seil auf einen Stuhl binden lassen, nicht jeder hat genug Taktgefühl für einen Rap und auch „Klo verstopfen" will gelernt sein. Dank der vielen Komponenten des „FÜR"-Projektes können die Heini(at)werker aber ganz individuell ihre Stärken einbringen. So können und dürfen die einen Regisseur spielen bei der „Busfahrt". Andere zeigen den Schülern, wie man der Wut auf kreative Weise Luft machen kann, wieder andere unterstützen die Fünftklässler bei der Spurensuche nach „guten Eigenschaften" oder halten die „Fäden" in der Hand, wenn zusammen am tragfähigen „Netz der guten Worte" gesponnen wird.
Jedes Jahr nehmen die Heim(at)werker eigens dafür Urlaub oder reizen während der Projekttage ihre flexiblen Arbeitszeiten aus. Eine Selbstverständlichkeit für alle Team-Mitglieder. „Ich lehne jede Form der Gewalt ab und wenn ich dazu beitragen kann, den Kindern zu zeigen, dass es auch anders geht, dann mache ich das", sagt Stephan Wick. „Als ich davon gehört habe, dachte ich, das ist eine tolle Sache", erzählt Isaac Ekhogue. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, von anderen abgelehnt zu werden", sagt er. Deshalb sei es ihm wichtig, den Kindern zu vermitteln: „Die Hautfarbe, das Aussehen, die Statur - das sind alles keine Gründe, jemand anderen abzulehnen."
Vom ursprünglichen Gedanken, dass jeweils die neuen Fünfer-Eltern das Gewaltpräventionsprojekt organisieren, hat man inzwischen Abstand genommen. „Der Ablauf ist klar, das Material ist da, jeder hat seine Aufgaben. Der eine kann auch einmal einspringen, wenn der andere keine Zeit hat", nennen die Heim(at)werker die zentralen Gedanken dafür, dass man als „FÜR-Team" nun schon den vierten Fünferjahrgang eingeladen hat. Allerdings wird bei den Elternabenden regelmäßig um neue Mitstreiter geworben, wird diese ganz besondere Art der Gewaltprävention vorgestellt. Ein Ehrenamt, das wichtig ist und das zugleich viel Freude bereitet, wie die Heim(at)werker betonen.
„Wir sind eine nette, sympathische Truppe", bringt es Suzanne Elsässer auf den Punkt. Die Vorbereitungstreffen, zu denen man sich jedes Jahr vor den Projekttagen wieder trifft, und auch die Projekttage an sich bedeuten nicht nur Arbeit, sondern noch viel mehr Spaß. „Wir
vermitteln den Kindern tolle Werte", sagt Alexandra Supper. „Werte, die uns selbst wichtig sind." Zudem bekomme man von Schülern und Eltern gleichermaßen positive Rückmeldungen und - was die ehrenamtlich engagierten Eltern besonders zu schätzen wissen - man erfahre viel Rückendeckung von den Lehrern und der Schulleitung.
(Artikel erschienen am 29.11.2014 im Gäubote Herrenberg. Wir danken der Redaktion des Gäubote für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Siehe auch www.gaeubote.de).