Verleihung des Dr.-Martin-Zeller-Preises, gestiftet vom Kulturkreis Herrenberg, an die Projektgruppe der Ausstellung „Gegen das Vergessen": Links Elisabeth Kaiser (Vorsitzende Kulturkreis Herrenberg), vorne rechts Günther Ansel, ihr Stellvertreter. GB-Foto: Vecsey
Sie wurden in kürzester Zeit Experten für die unrühmliche deutsche Vergangenheit, sie lernten, die Geschichten der Überlebenden zu erzählen: Schüler einer Projektgruppe an der Herrenberger Jerg-Ratgeb-Real-Schule führten in den vergangenen Wochen kenntnisreich und engagiert durch die Plakatausstellung des deutsch-italienischen Fotografen Luigi Toscano.
„Gegen das Vergessen" war der Titel dieser Ausstellung. Der Mannheimer Künstler fotografierte mehr als 400 Überlebende des Holocaust, denen er persönlich begegnet ist, und präsentierte ihre Bilder öffentlich in Form von Plakatinstallationen. 20 dieser Plakate waren auch in der Jerg-Ratgeb-Realschule zu sehen und wurden im September, wenige Stunden nach Eröffnung der Ausstellung, mit Parolen von deutlich antisemitischem Inhalt beschmiert (der „Gäubote" berichtete).
Der Ausstellung kam so - in diesem Fall unfreiwillig - Aufmerksamkeit weit über den Herrenberger Raum hinaus zu. Der SWR berichtete, Dr. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes, kam an die Schule - und Luigi Toscano, dessen Arbeit bereits an mehreren anderen Standorten zum Opfer ähnlicher Attentate geworden war, erwog, die Herrenberger Schau abzubrechen.
Dass dies nicht geschah, sondern die Plakate über den ganzen vorgesehenen Zeitraum hin zu sehen waren, ist auch ein Verdienst der Projektgruppe der Klassenstufe 10. „Für einen kurzen Moment", so Dominik Kirgis, „dachte Luigi Toscano ans Abbrechen der Ausstellung. Nachdem die Projektgruppe entschlossen bekräftigte, sich nicht im Frust der Situation hinzugeben, sondern aktiv weiter die Porträts der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, lief das Projekt seinen Gang weiter."
Und dies bei deutlich größerer Nachfrage: „Der Einsatz der Schüler", so Kirgis, „hat alle Erwartungen bei weitem übertroffen und dafür gesorgt, dass diese Ausstellung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde." Und, an die Schülerinnen und Schüler gewandt: „Ihr seid zu souveränen Sprechern geworden, Ihr habt authentisch die Geschichten der Betroffenen erzählt und dabei sehr viele Kompetenzen erworben. Ihr seid über Euch hinausgewachsen."
Luigi Toscanos Ausstellung zog mittlerweile weiter. Am Mittwoch wurden die Schüler der Klassenstufe 10 der Jerg-Ratgeb-Realschule für ihre Bemühungen um diese Ausstellung vom Kulturkreis Herrenberg mit dem Dr.-Martin-Zeller-Preis des Kreises ausgezeichnet. Elisabeth Kaiser als Vorsitzende des Kulturkreises und Günther Ansel als ihr Stellvertreter kamen in den Musiksaal der Schule, um dem Projektteam dort einen Scheck in der Höhe von 250 Euro zu überreichen. Anwesend waren 23 der 24 Schüler der Gruppe, Schulleiter Alexander Riegler, Dominik Kirgis und Meike Hirner als beteiligte Lehrer. Martin Strübin, ein weiterer Lehrer, konnte an der Preisverleihung nicht teilnehmen.
"Danke für das Recherchieren historischer Wahrheit"
Elisabeth Kaiser
Elisabeth Kaiser dankte den Schülern ausdrücklich: „Danke für das Recherchieren historischer Wahrheit. Danke für die eindrucksvolle Präsentation innerhalb Eures Schulgeländes. Danke, dass Ihr Euch durch die mutwillige Zerstörung nicht habt einschüchtern lassen. Danke, dass Ihr den Besuchern die Ausstellung erklärt habt, so dass Ihr, im besten Sinne, als Multiplikatoren unsere Vergangenheit lebendig und bedeutsam für die Gegenwart gemacht habt." Wichtig, so Elisabeth Kaiser, sei es, die Geschichte zu erforschen und aus ihr für die Gegenwart notwendige Erkenntnisse zu ziehen. Im Hintergrund leuchtete eine der Fotografien von Luigi Toscano, ein Bild der Holocaustüberlebenden Anna Strishkowa. Vor ihrem nachdenklichen Blick nahmen die Schülerinnen und Schüler großes Lob für ihr Bemühen um die Aufarbeitung der Vergangenheit entgegen.
(Artikel erschienen am 27.10.2023 im Gäubote Herrenberg. Wir danken der Redaktion des Gäubote für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Siehe auch www.gaeubote.de).