Die Bläserklassen, hier die Klasse 6b, orientierten sich bei der Gestaltung ihres Konzerts thematisch an König Fußball. GB-Foto: Holom
Für ein spannendes Spiel muss man derzeit nicht zwingend ins Stadion gehen. Auch beim Bläserklassen-Konzert der Jerg-Ratgeb-Realschule erlebt das Publikum eine kurzweilige erste und zweite Halbzeit: Die Orchester der 5b und der 6b landen am Donnerstag lauter Volltreffer. Die Zuhörer können nur staunen angesichts der Trainingserfolge des Nachwuchses, schicken teils La-Ola-Wellen durch die Markweg-Mensa.
Nach nur einem Proben-Jahr hat das Orchester der 5b unter Leitung von Martina Karl-Hartmann es bereits drauf, ganz große Emotionen zu entfachen - zum Beispiel mit Vangelis' aufwühlenden „Chariots of Fire" - eine hymnische, bewegende Impression, die den Alltag mal kurz ausblendet. Aber auch im Rock-Genre fühlen sich die Kids pudelwohl: Ob bei Beginners oder Monster Rock, das Orchester macht ordentlich Dampf und überrascht mit dem einen oder anderen Kreischen. Sogar einen Elefanten in der Disco darf man bestaunen. Da kam das Publikum natürlich nicht umhin, spontan mitzuklatschen.
Doch plötzlich heißt es: Die Geister sind los! Kurzerhand packten die Schüler ihre „Protonen-Blaster" aus und lehren den Gruselwesen mit treibenden Beats und dem einen oder anderen „Ghostbusters!"-Ruf das Fürchten. Nach einem kurzen Abstecher in die Flower-Power-Ära zu ABBAs Hit „Mamma Mia" betreten die Franzosen mit dem lässig aus dem Ärmel geschüttelten „Just Plain Blues" das Spielfeld. Ehe die erste Halbzeit dann abgepfiffen wird, stechen die Spieler in See, auf den Spuren der epischen „Fluch der Karibik"-Klänge.
„Wenn der Schiedsrichter abpfeift, ist's zu Ende." Martina Karl-Hartmann
Auch das Orchester der 6b weiß unter der Leitung von Coach Anja Pfeifer zu überzeugen. Feierlich und würdevoll eröffnen sie das Spiel mit der „Ode an Europa", um dann dem schottischen Team den Platz zu überlassen. Highlands und Islands ziehen beim „Gathering in the Glen" am inneren Auge vorüber und hin und wieder meint man fast, einen Dudelsack aus den Klangschichten herauszuhören. Als die Spanier ihr Revier mit „Sway" verteidigten, kocht es im Kessel. Doch dann sind auch schon die Österreicher am Zuge und die Fans bekommen mit der „Haydn-Fantasie" eine deutsche Nationalhymne zu Ohren, wie dies noch nie der Fall war. Geradezu euphorisch stürzen sich die Kids dann in „Accidentally in Love" und durch die Mensa wiegen die La-Ola-Wellen. Was da noch fehlte: die rockige Ader der Sechser, die sie mit „Born to be wild" eindrücklich unter Beweis stellen. Die zweite Halbzeit beendet das Orchester mit einer Nummer, die einer musikalischen EM würdig ist: dem „Final Countdown" mit seinen stadiontauglichen Fanfaren.
Zur Freude des Publikums geht es in die Verlängerung - und die erweist sich als „Supercalifragilistic". Die Füße zucken zum pfeffrigen „Latin Fire" und beim „Stadionfieber" kommt das Fußballer-Herz in Wallung. Gerne hätte das Publikum noch eine Zugabe gehört, doch Regeln sind Regeln: „Wenn der Schiedsrichter abpfeift", erklärt Martina Karl-Hartmann, „ist's zu Ende."
Insgesamt 30 Plätze hat die Jerg-Ratgeb-Realschule Jahr für Jahr in ihren Bläserklassen zu vergeben. Gleich zu Beginn lernen die Kinder im Rahmen eines Instrumenten-Karussells von der Querflöte bis zum Eufonium alle Instrumente kennen und dürfen dann drei Blasinstrumente angeben, die sie künftig gerne spielen würden. „Wir versuchen, jedem eines der Wunschinstrumente zu ermöglichen", erzählt Dirigentin Anja Pfeifer. Und das klappe auch ganz gut. Bereits nach sechs Wochen geht es dann los: Lehrer der Musikschule für jedes der sechs Instrumente kommen ins Haus und sorgen für die Instrumentalausbildung - einmal pro Woche.
Zusätzlich sind drei Orchesterstunden pro Woche angesetzt, so dass die Kinder von Beginn an auch das gemeinsame Musizieren erlernen. Die Schüler haben ganz offensichtlich Freude an der Musik. „Die Sechser machen alle weiter", freut sich Pfeifer. Auch die Jungs haben aufgeholt: Waren es zu Beginn mehr Mädchen als Jungen, so ist das Verhältnis seit etwa zwei Jahren ausgewogen. Pfeifer selbst legt Wert darauf, „die Stücke nicht nur so runterzuspielen, sondern den Charakter von einem Stück zu erfassen und rüberzubringen".
Musik, betont die Pädagogin, sei mehr als nur Noten. Zudem nimmt sich die Dirigentin für die Proben vor, jedes einzelne Kind dabei auch wahrzunehmen. Die Kinder ihrerseits seien „wahnsinnig aufmerksam". Sie versuchten, Vorgaben zu Dynamik und Akzentuierung rasch umzusetzen, seien auch selbstkritisch: Wenn etwa das Crescendo nicht lange genug war, merken sie es selbst. Nicht zuletzt stärkt das gemeinsame Musizieren den Teamgeist: „Die Schüler", so die Erfahrung von Anja Pfeifer, „identifizieren sich als Klasse und als Schüler der Schule.'
(Artikel erschienen am 06.07.2024 im Gäubote Herrenberg. Wir danken der Redaktion des Gäubote für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Siehe auch www.gaeubote.de).